Das "System Oslo" und der Krieg gegen Gaza

Foto: Stefan Rohl

Am 01. Juni 2015 hielt unsere Kuratorin Prof. Dr. Helga Baumgarten in der Stadtbibliothek Bielefeld einen eindrucksvollen Vortrag unter dem Titel "Das 'System Oslo' und der Krieg gegen Gaza". Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Bielefelder NahOstinitiative (BNI) organisiert.

 

Einleitend stellte Frau Baumgarten die These auf, es gebe nicht ein, sondern vielmehr drei "Oslos". Das erste sei dasjenige der Hoffnung und der Friedenswünsche, das den öffentlichen Diskurs bestimme - ein frommer Wunsch.

Das zweite "Oslo" sei das der Verträge, das keinerlei Verweise auf einen palästinensischen Staat, keinerlei Strategie und keinerlei Verhandlungsmechanismen enthalte. (Die den Verträgen zugrunde liegende "CONSOLIDATED MAP OF THE WEST BANK", von Yitzhak Rabin, Yassir Arafat u.a. am 28.09.1995 unterzeichnet, zeigt denn auch einzig die Grenzlinie zu Jordanien, nicht aber die Waffenstillstandslinie von 1948. Die Karte vermittelt so schon optisch den Eindruck eines großen, einheitlich gefärbten Israel mit braun gefärbten palästinensischen Siedlungsflecken. Anmerkung: G. Weykam)

Im weiteren Verlauf ihres Vortrages ging Frau Baumgarten dann insbesondere auf das von ihr so genannte "System Oslo" ein. Es erhalte die Besatzung aufrecht, ermögliche die weitere Expansion der Siedlungen, die wiederum die weitere Besatzung notwendig mache. Die PA (Palestinian Authority) werde  durch das "System Oslo" und internationalen Druck zu immer weiteren sinnlosen Verhandlungen gezwungen. Die verabredete "Sicherheitskooperation" zwinge die PA, für Israel in den Besetzten Gebieten Polizeidienste zu leisten und somit zu helfen, die Besatzung aufrecht zu erhalten. Das "System Oslo" fragmentiere Palästina sowohl geografisch wie sozial. All dies produziere eine dauerhafte wirtschaftliche Krise und Abhängigkeit von der israelischen Wirtschaft.

Frau Baumgarten entwickelte und belegte ihre Thesen zum "System Oslo" faktenreich und untersuchte im Folgenden mögliche Auswege aus diesem System. Angesichts der politischen Spaltung der palästinensischen Gesellschaft und der Tatsache, dass ein Teil der palästinensischen Elite von diesem System v.a. wirtschaftlich profitiert, fiel ihr Ausblick wenig optimistisch aus.

 

Zur Person:
Prof. Dr. Helga Baumgarten, deutschsprachige Kennerin der palästinensischen Verhältnisse, lebt seit einem Vierteljahrhundert in Palästina und lehrt seit 1993 Politikwissenschaft an der palästinensischen Universität Birzeit, wo sie das Masterpogramm "Democracy and Human Rights“ leitet.
Prof. Dr. Helga Baumgarten ist Mitglied im Programmbeirat des neuen Ph.D.-Programms in den Social Sciences an der Birzeit-Universität. Sie hat international zum Nahostkonflikt, zum palästinensischen Nationalismus und zum politischen Islam publiziert. Auf Deutsch liegen vor ihre Arbeit zur palästinensischen Nationalbewegung: „Palästina. Befreiung in den Staat“ (Suhrkamp 1991), ihre Monographie zur Hamas: „Hamas. Der politische Islam in Palästina“ (Diederichs 2006), sowie ihre im Herbst 2013 bei Herder erschienene Untersuchung zum Thema „Kampf um Palästina: Was wollen Hamas und Fatah?“. In den letzten Jahren hat sie zur Frage der Transformationen in der arabischen Region gearbeitet, sowohl in der Lehre als auch in zahlreichen Beiträgen auf internationalen Konferenzen, u.a. auf der MESA in San Diego, USA. Geboren 1947 in Stuttgart, hat sie in Tübingen, New York, London, Beirut und Göttingen studiert und in Berlin an der FU promoviert. Lehre an der AUB in Beirut, Libanon, an der Universität Göttingen und an der F.U. Berlin. Gastwissenschaftlerin am Österreichischen Institut für Internationale Politik Wien 2004.