Jeremy Milgrom, Rabbis for Human Rights

Vortrag und Diskussion mit Jeremy Milgrom Mitbegründer der „Rabbis for Human Rights“ und “Clergy for Peace”, Jerusalem, am Donnerstag, dem 13.Januar 2011, 19:30 Uhr in der Stadtbibliothek Gütersloh, Blessenstätte 1, 33330 Gütersloh

 

Seit Jahrzehnten ist die Region des Nahen Ostens von erbitterten Auseinandersetzungen geprägt. Die Gewalt dieses Konfliktes ist in unseren Medien präsent, aber von der Friedensarbeit in Israel und Palästina hören wir wenig. Dennoch gibt es sie. Einer ihrer Vertreter ist Jeremy Milgrom.

Jeremy Milgrom zeigte vor seinem Vortrag über die Beduinen vom Stamm der Jahalin eine filmische Dokumentation über deren Kampf um Land, in dem sie ihrer Jahrtausende alten nomadischen Lebensweise nachgehen können

Der in Englisch gehaltene Vortrag wurde übersetzt, ebenso wie die sich anschließende Frage- und Diskussionsrunde, die von der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung Begegnung, Frau Marita Kappler, moderiert wurde.

Zur Person:
Jeremy Milgrom wurde 1953 in den USA geboren und wuchs in einer Familie auf, die jüdische Religion und Bildung so hochhielt, dass zu Hause nur Hebräisch gesprochen wurde. Er lebt seit 1968 in Israel und machte seinen Schulabschluss in Jerusalem. Als 15-Jähriger fühlte sich Milgrom sehr zum orthodoxen Judentum hingezogen, begann nach seiner 3- jährigen Militärzeit mit dem Studium des Judaismus und wurde Rabbiner.

1982, kurz nach der Geburt seiner ersten Tochter, verweigerte er den Dienst als Soldat im Libanon. Er baute seine Position der Gewaltfreiheit weiter aus, unter anderem mit der Beschäftigung der Schriften von Thomas Merton, trug zahlreiche christliche und jüdische Quellen über die Notwendigkeit zum Verzicht auf Gewalt zusammen. Die "Rabbiner für Menschenrechte" wurden 1988 als Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Armee während der ersten Intifada gegründet. Jeremy Milgrom war einer der Mitbegründer. Sie sind der jüdischen Tradition der moralischen Verantwortung verpflichtet.

Seit Mitte der 90er Jahre engagiert sich Jeremy Milgrom für die Rechte der Jahalin, eines kleinen arabischen Nomadenstammes, der einer neuen jüdischen Siedlung östlich von Jerusalem weichen musste und jetzt mit etwa hundert Familien in der Nähe einer Mülllhalde ohne angemessene Lebensgrundlage leben muss. Die Rabbis für Menschenrechte unterstützen sie in ihren Ansprüchen auf das Land, fördern ihre Infrastruktur und die Ausbildungskosten für die Kinder. Als Field-Director der »Rabbis für Menschenrechte« sammelt er Geld, um palästinensischen Bauern neue Olivenbäume zu pflanzen, deren Plantagen von der Armee zerstört wurden.
2002 erhielt Jeremy Milgrom in Köln im Namen der Rabbis for Human Rights die Pfarrer- Georg-Fritze-Gedächtnisgabe des evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte. Im Laufe seines Lebens ist er an wichtigen Initiativen der israelischen Friedensbewegung, wie Peace Now, Yesh Gvul etc., beteiligt gewesen und arbeitet zurzeit aktiv bei der Allianz für Wiederaufbau, die zerstörte Häuser in Gaza und der Westbank wieder herstellt.

Marita Kappler und Jeremy Milgrom

Rabbi Milgrom ist ein Pionier im Bereich von interreligiösen Partnerschaften und Mitbegründer der „Clergy for Peace“, einer Initiative von christlichen, muslimischen und jüdischen Geistlichen für gerechten Frieden und der „Jüdisch-Islamischen Gesellschaft“ in Nürnberg. Seine Vision ist ein gewaltfreies Zusammenleben von Juden und Palästinensern in einem gemeinsamen binationalen Staat, in den Juden einwandern und Palästinenser zurückkehren können: „share the land, harvest the peace – das Land miteinander teilen, den Frieden ernten“ oder aber auch „Sicherheit durch Gerechtigkeit“.

 

Jeremy Milgrom hatte sich bereit erklärt, seinen Vortrag auch am folgenden 14. Januar 2011 vor einer Schülergruppe der Anne-Frank-Schule zu halten. Die Schüler aus dem 11. und 12. Jahrgang bereiteten sich auf einen Schüleraustausch mit ihrer Partnerschule, der Evangelical-Lutheran School of Hope in Ramallah vor. Auf Anregung von Jeremy Milgrom besuchte die Gruppe im April 2011 auch die Jahalin-Beduinen in der Nähe von Jerusalem.

Aus dem von zwei Schülerinnen der Gruppe verfassten Artikel:

 

" (...) Über seine Zeit bei der Armee erzählte er uns, dass er als junger Soldat wie all seine Kameraden eine Minute Zeit gehabt habe, seine Eltern zu Hause anzurufen. Überraschender Weise habe jeder seiner Kameraden in einer anderen Sprache mit seiner Familie gesprochen, was ihn sehr beeindruckt habe, da ihm dies zeigte, dass Juden von den verschiedensten Flecken der Erde nach Israel gekommen waren, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Nach seiner Militärzeit sei er Rabbiner geworden und habe sich seit jener Zeit für eine friedliche Lösung im Nah-Ost-Konflikt engagiert.

Dann zeigte uns Jeremy Milgrom  die Abschlussarbeit einer jungen israelischen Studentin aus London, den Film „Jahalin“ („Jahalin“, 1999, Talya Ezrahi und Kamal Jafari).

Arab al-Jahalin ist eine Beduinen-Siedlung, ca. 20 Minuten von Jerusalem entfernt gelegen, in der der Nomadenstamm der Jahalin lebt. Das ursprüngliche Gebiet dieser Beduinen lag in der Negev-Wüste im heutigen Kernland Israel, von wo sie um 1948 vertrieben worden seien. Seit den 1950er Jahren lebten sie bis 1967 unter jordanischer Hoheit in gewohnter Weise unbehelligt in der Bergwüste östlich von Jerusalem, in einem Gebiet um die Quelle Um Rasas.

Diese Quelle liege heute mitten in der Siedlung Ma’ale Adumim, der größten und am schnellsten wachsenden israelischen Siedlung in den seit 1967 besetzten Gebieten.
Der Film zeigte den Konflikt zwischen den Israelis und den Jahalin, die der anhaltenden Erweiterung der Siedlung im Wege sind.
Warum sie das Gebiet verlassen sollen, verstünden die Beduinen nicht, da sie sich als friedlich erleben und einfach nur in ihrer Tradition frei leben möchten. Keine vorherige Regierung, weder Osmanen, noch Briten, noch Jordanier hätten etwas dagegen einzuwenden gehabt. Die Israelis hingegen  möchten die Beduinen jedoch in eine Art Flüchtlingslager umsiedeln, welches sich Jabal nennt, in der Nähe einer großen Jerusalemer Mülldeponie liegt und die Beduinen als Gefängnis empfänden.

Den juristischen Kampf vor israelischen Gerichten habe der Jahalin-Clan verloren, die Umsiedlung wurde mit massivem Militäreinsatz vollzogen. Die traditionelle nomadische Lebensweise sei ohne Zugang zu Wasser und Weidegebieten für das Vieh zum Tode verurteilt.
Besonders tragisch fände Jeremy Milgrom daran die Tatsache, dass damit die Lebensweise sterbe, die seit Abraham auch die kulturelle Wurzel des jüdischen Volkes sei. (...)"

Beim Besuch der Schülergruppe der Anne-Frank-Schule April 2011 auf dem den Jahalin zugewiesenen Areal

 

Für Jeremy Milgrom seien diese Menschen eine Inspiration, sich weiterhin für den Frieden zu engagieren. Die politische Lage in Israel sehe er eher pessimistisch: die Gesellschaft insgesamt würde immer unversöhnlicher, Politiker, die noch vor Jahren am äußerst rechten Rand des politischen Spektrum standen, wären heute mehrheitsfähig und diese Entwicklung ginge weiter.
Der Zukunft  des Israel-Palästina-Konflikts sehe Jeremy Milgrom besorgt entgegen, da er befürchte, dass sich die Lage weiter zuspitzen werde. Er kritisiere Länder wie die USA oder Europa, die sich als Freunde Israels auswiesen, aber nicht, wie man es von guten Freunden erwarten würde, offen sagten, dass diese Politik gegenüber den Beduinen völlig inakzeptabel sei.
Jeremy Milgrom erzählte uns, dass er sich trotz seines Engagements nicht erfolgreich fühle, da sich die Lage in Israel/Palästina nicht zum Besseren entwickele.
Unserer Meinung nach gehört Jeremy Milgrom jedoch definitiv zu den Menschen, die durch ihr Handeln das Gesicht der Welt verändern können."

Link zu Rabbis for Human Rights

 

rhr.org.il/eng


Link zur Jahalin Association

www.jahalin.org


Film über die Jahalin von 2013

www.youtube.com