Schüleraustausch zwischen dem Evang. Gymnasium Lippstadt und der Peter Nettekoven Schule in Beit Sahour 2019

Das Motto der Begegnung lautete: Verantwortung für Mensch und Natur


Aus dem Projektbericht einer begleitenden Lehrerin, Bruni Reker:
„PALÄSTINENSISCHE GASTGEBER UND DEUTSCHE GÄSTE IN BEIT SAHOUR
Seit 2009 steht das Evangelische Gymnasium in einem Schüleraustausch mit der Partnerschule, der Griechisch-Katholischen Peter-Nettekoven-Schule in Beit Sahour (Palästina).
 In diesem Jahr fand ein weiterer Besuch deutscher Schülerinnen und Schüler in Palästina statt, gefördert vom Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Stiftung „Begegnung. Stiftung Deutsch-Palästinensisches Jugendwerk“ in Gütersloh (...) und dem Förderverein des Evangelischen Gymnasiums. Diesen Institutionen und den darin wirkenden Personen gebührt ausdrücklicher Dank.

Vom 29.10. - 07.11.2019 machten sich elf erwartungsvolle Schülerinnen und Schüler, begleitet von drei Lehrerinnen, auf den Weg nach Palästina und wurden von „ihren“ Familien überaus gastfreundlich aufgenommen.
Das gemeinsame Alltagsleben mit den so andersartigen Lebensverhältnissen und das Besuchsprogramm trugen maßgeblich zu einem besseren Verständnis der problematischen und komplexen Lebenssituation der Menschen vor Ort und ihrer Kultur bei. Gerade für die relativ jungen Schülerinnen und Schüler liegt ein günstiger Schwerpunkt in der familiären und freundschaftlichen Begegnung. Die damit praktizierte interkulturelle Erziehung und Solidarität mit den Christen in Palästina, aber auch mit den muslimischen Schülerinnen und Schülern der Gastschule stellt einen wichtigen Beitrag dar für das Leben, die Entwicklung und die Zukunftsplanung der jungen Menschen.
Einschränkungen der gemeinsam durchgeführten Exkursionen von palästinensischen und deutschen Schülern waren der Zerrissenheit des Landes, den damit verbundenen Kontrollen und notwendigen Ausweispapieren geschuldet. Palästinensische Dörfer und Kleinstädte wechseln mit groß ausgebauten israelischen Siedlungen ab und prägen so die Landschaft.  
Ausflüge nach Bethlehem, Jericho, Jerusalem und auch Beobachtungen am Wegesrand vertieften die Einsichtnahme in aktuelle, geschichtliche, religiöse und ökologische Themen.

Eindrucksvoll im Gedächtnis geblieben ist der Besuch des Evangelischen Schulzentrums „Talitha Kumi“ in Beit Jala und des Umweltbildungszentrums dort. Die fachkundige Führung durch den stellvertretenden Schulleiter, Herrn Ibrahim, und seine Mitarbeiter ermöglichte wichtige Einsichten in beide Bereiche. Dort werden junge Menschen in das palästinensische Naturerbe eingeführt, sie lernen im Rahmen politischer und sozialer Verantwortung die biologische Vielfalt kennen, erfahren und praktizieren Schutzmaßnahmen für die Umwelt. Besonders beeindruckend war, die Arbeit der Überwachungsstation zur Erforschung der Vogelzugtrends in Zusammenarbeit mit europäischen und afrikanischen Stationen zu sehen.

Bethlehem ist als Stadt, nahe bei Beit Jala und Beit Sahour gelegen, lebendiges Zeugnis aktuellen politischen und interreligiösen Lebens und der Kultur. Kunsthandwerk wie Olivenholzschnitzerei, traditionelle Stickerei und Schmuckherstellung, regionale Produkte sowie kulturelles Programm (Debka, der traditionelle Tanz) konnten die Schülerinnen und Schüler beim Olivenfest auf engem Raum erleben.    
Als  Ort religiöser und biblischer Überlieferung ist Bethlehem wichtig für Christen, Juden und Muslime.

Aber die Stadt ist ebenfalls von Bedeutung für die unmittelbare politische Geschichte: nördlich der Stadt verläuft die israelische Sperranlage, die über 30 km mit einer bis zu acht Metern hohen Mauer u.a. Bethlehem von Jerusalem und kleineren Orten trennt. Eine jede palästinensische Gastfamilie hätte oder hat zu der politischen Problematik ihre persönliche Geschichte zu erzählen.


Banksy 2017 eröffnete Hotel direkt an der Sperrmauer. Dieses „Walled Off Hotel“ sowie die umgebenden Mauerabschnitte sind ein Kunstprojekt mit gesellschaftskritischen und politischen Inhalten. Das Hotel enthält eine bei den Israelis umstrittene Ausstellung, die den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis thematisiert mit Blick auf Besetzung und Menschenrechte, also die Geschichte für die Gäste aus rein palästinensischer Perspektive erzählt und zur Auseinandersetzung einlädt. Die viel beachtete Galerie im ersten Stock des Hotels zeigt Werke palästinensischer Künstler.


Auch Beit Sahour, unser Schulort, hat als Ort biblischer Überlieferung hohen Stellenwert. Er liegt an den Hirtenfeldern, auf denen die Geburt Jesu verkündet worden sein soll. Als Ausgangspunkt verschiedener friedlicher Aktivitäten spielte die Stadt während der Intifadas (gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und der israelischen Armee) eine bedeutsame Rolle. Unweit des Hirtenfeldes, teilweise noch auf dessen Gebiet, lassen sich wie an vielen Orten in Palästina Ergebnisse der israelischen Siedlungspolitik wahrnehmen.

Was allen Teilnehmern im Gedächtnis bleiben wird, sind die entstandenen Kontakte, die Freundschaften, der Eindruck der unbändigen Lebensfreude und die Großzügigkeit unserer Gastgeber. Nicht zu vergessen das köstliche Essen... Aber auch die Wertschätzung der Freiheit, die wir in Europa genießen.
Im Juni 2020 ist der Gegenbesuch der palästinensischen Schülerinnen und Schüler in Lippstadt geplant - Erwartung und Vorfreude auf beiden Seiten sind groß.“ Bruni Reker
                                                       
Feedback von Schülerinnen und Schülern (aus: Daniel Kossak, Schüleraustausch mit Hindernissen, in:  Patriot, 31.12.2019):
•    „Ich persönlich fand, dass man besonders die Freiheit, den Wohlstand und den Frieden in Europa zu schätzen lernt. Außerdem hat mich beeindruckt, dass die Werte des Christentums universal sind. Das hat etwas Einendes, das uns mit den Menschen in Beit Sahour verbindet. Es war sehr schön, eine völlig andere Kultur zu erleben, die man hier bei uns gar nicht präsent hat.“ Athanasios Theodorakis
•    „Das, was ich am prägendsten  in Erinnerung behalten habe, war die Mentalität der Menschen. Trotz des Konflikts waren die normal – wie wir. Sehr beeindruckend fand ich, dass die Menschen insgesamt das Beste aus ihrer Situation machen. Ich hatte nie das Gefühl, dass die verbittert waren. Außerdem haben uns die Leute da super gastfreundlich empfangen.“ Ariane Stöcker
•    „Es war sehr interessant, dass jeder Jeden kennt. Alle wurden begrüßt, wenn die Leute durch den Ort gegangen sind und gefühlt alle kannten sich untereinander. Auch das Essen war gut. Wir wurden regelrecht vollgestopft von unseren Gastfamilien. (...)“ Henri Breulmann
•    „Am meisten hat mich die Mentalität beeindruckt und wie positiv die alles sehen, obwohl nicht alles positiv ist. Familie steht dort an erster Stelle und die Leute lieben ihren Ort (Beit Sahour) und die Menschen dort. Zu Hochzeiten kommt zum Beispiel das ganze Dorf. Auch wie gastfreundlich wir dort aufgenommen wurden, hat mich sehr beeindruckt.“ Sina Homann