Austausch mit der School of Hope mit Besuch und Gegenbesuch 2017. Projektarbeit "Eine Geschichte - Zwei Narrative"

 

Reise in ein seit 50 Jahren besetztes Land

Wie bereitet man deutsche Schüler auf einen Schüleraustausch in ein militärisch besetztes Land vor, in dem sich die Besatzung zum 50. Mal jährt?
Im Schuljahr 2016/17 kam uns dabei das von der Stiftung BEGEGNUNG geförderte Buch „DIE GESCHICHTE DES ANDEREN KENNEN LERNEN“ des Peace Research Institute in the Middle East (PRIME) zu Hilfe, in dem die Geschichte Israels und Palästinas im 20. Jh. aus beiden Perspektiven dargestellt wird.
Das Buch war Grundlage der historischen Vorbereitung der Schüler im Rahmen eines Projektkurses und einer Arbeitsgemeinschaft (Hier: mehr Informationen zu dem Buch). Die Schüler erarbeiteten in Kleingruppen jeweils eines der neun Kapitel des Buches und machten sich zusammen mit ihren Partnerschülern in Ramallah auf die Suche nach Bildmaterial, das geeignet war, den Zeitabschnitt in einer Collage zu visualisieren. Die Arbeit an den Gestaltungen erstreckte sich über die gesamte Vorbereitung und beide Begegnungen des Austausches im April und im Juni 2017. Als Vorbilder für die Gestaltungen dienten u.a. die großformatigen Tafeln des israelischen Künstlers David Tartakover zur Geschichte Israels.

Foto: WeyG

Beispielhaft ist hier die Collage zur Ersten Intifada zu sehen. Der Gruppe gelingt nach intensivem Arbeitsprozess eine überzeugende Arbeit, in der die formale Gestaltung den inhaltlichen Aspekten idealtypisch entspricht. Erzählt werden hier nicht die historischen Fakten der Intifada, sondern sie wird durch die gestalterischen Mittel sinnlich erfahrbar – Schmutz, Teer, Feuer, Erde, Steine, Blut werden nicht in narrativer Weise verwendet, sondern vermitteln Geruch, Lärm, Rauch, ....
Zur inhaltlichen Identifizierung des Themas genügend vergleichsweise wenige Bildelemente.
Unten zu sehen ist ein Foto von Yitzhak Rabin, dem später ermordeten Friedensnobelpreisträger. Während der ersten Intifada war er oberster Militär und ordnete an, wegen Überfüllung der Gefängnisse jugendliche palästinensische Steinewerfer nicht mehr zu inhaftieren, sondern ihnen die Arme zu brechen. Darauf deutet der arabische Schriftzug auf blauem Grund: „Knochenberecher“, sein arabischer Spitzname.

Eine zweite Gruppe gestaltet die Phase des sogenannten Oslo-Friedensprozesses seit den 1990er Jahren in Form einer Décollage.
Inhaltliche Aussage und Gestaltung entsprechen sich auch hier in idealer Weise und führen zu einer klar lesbaren Aussage:
Jubelfotos vom Friedenprozess und unzählige Fragmente aus den Oslo-Verträgen im Vordergrund werden aufgerissen und geben den Blick frei auf die „Realität“, in der die Palästinenser leben: fortdauernde Besatzung unter militärischer Kontrolle, Checkpoints mit ihren „Käfigen“, Gewalt und Demütigung.

Schülerinnen und Schüler bei der gemeinsamen Projektarbeit im April 2017 in der School of Hope in Ramallah.

Während beider Austauschbegegnungen waren unsere Schüler wieder in Gastfamilien untergebracht.
So hatten unsere deutschen Schüler die Gelegenheit, die Normalität des Alltags mit all ihren schönen Seiten, der Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Familien in der Enklave Ramallah zu erleben. Gleichzeitig kamen sie auf ihrem Weg zur Schule und bei den gemeinsamen Exkursionen aber auch in Berührung mit dem Alltag der militärischen Besatzung, den Checkpoints, den Umwegen, obwohl unsere Reise in einer vergleichsweise ruhigen Phase stattfand.

Im Hintergrund zu sehen sind der Siedlungsring und der Bau der Jeshiwa-Schule.

Ein Highlight unserer Reise war wieder ein Besuch bei der Familie Nasar auf ihrem Weinberg bei dem Dorf Nahhalin in der Nähe von Bethlehem. Israel will das Land der Familie enteignen, um die fünf umliegenden Siedlungen zu einem einzigen großen Siedlungsblock zusammenzuführen. Der juristische Kampf der Familie Nasar um ihren seit dem Osmanischen Reich dokumentierten Besitz dauert seit Jahrzehnten an und verschlingt Hunderttausende von Dollar. Die meisten anderen benachbarten Familien, die seit Jahrhunderten auf ihrem Land lebten, solche Dokumente aber nicht vorweisen konnten, wurden bereits enteignet.
In unmittelbarer Nachbarschaft entsteht zurzeit eine Jeshiwa-Schule. Die Befürchtung ist, dass dies den Druck auf die Familie Nasar weiter erhöhen wird.

Foto: WeyG

Eine unbedingte Reiseempfehlung ist das „WALLED OFF HOTEL“ in Bethlehem, das Hotel mit der schlechtesten Aussicht – auf die Mauer. Das von Banksy, einem anonymen Künstler oder Künstlerkollektiv bis in den kleinsten Winkel gestaltete Hotel zeigt, mal witzig, mal mit bösem Sarkasmus, die ganze Absurdität der Besatzung und die bittere Realität des palästinensischen Lebens unter ihr.

Man könnte Stunden allein in dem kleinen Museum verbringen um alle kleinen Details wahrzunehmen, Zeit, die wir leider nicht hatten, weil wir am gleichen Tag noch ein Flüchtlingslager bei Bethlehem besuchten, in dem ein Schüler unserer Gruppe bei seiner Gastfamilie wohnte.

 

.... weiter ins Zentrum von Bethlehem - immer an der Wand lang.
Foto: WeyG

Ein besonderes Erlebnis war ein gemeinsamer Tagesausflug mit der palästinensischen Organisation PalTerhal, spezialisiert auf lokalen Tourismus und Outdoor-Aktivitäten.
Ziel war der Jabal an Baba (Papstberg), ein Berg in der Nähe von Jerusalem, den König Hussein von Jordanien dem Papst und dem Vatikan vor 1967 geschenkt hatte, als das Westjordanland vor dem Sechstagekrieg noch unter jordanischer Verwaltung stand. Der Papst überließ den Berg den dort seit Menschengedenken lebenden Beduinen zur weiteren Nutzung.
In diesem Gebiet versucht Israel durch Landnahme und Enteignungen den Siedlungsring um Jerusalem zu schließen und die Beduinen u.a. durch Hauszerstörungen zu vertreiben (oben ein Link zu einer der vielen Videodokumentationen).
Nach einer Wanderung um den Berg, auf dem wir etwas über das Leben der Beduinen mit ihren Herden erfuhren, gab es traditionell gegartes Essen, Lautenmusik und Tanz.

Auf dem linken Foto sind im Hintergund die benachbarten isarelischen Siedlungen zu sehen.
Fotos: WeyG
Foto: WeyG

Wir trafen uns in der deutschen Gruppe mit der Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Helga Baumgarten an der Universität Birzeit. Sie gab den Schülerinnen und Schülern Antworten auf die vielen während der Reise aufgetauchten Fragen zur Situation und den Perspektiven in Israel und Palästina.
Prof. Dr. Helga Baumgarten ist auch Kuratorin der Stiftung BEGEGNUNG.

    Link zu Daoud Nasars Tent of Nations

    www.tentofnations.org

     

     

    Link zu Banksy's WALLED OFF HOTEL in Bethlehem

    www.walledoffhotel.com

     

     

    Link zu einer Dokumentation über den Jabal al Baba - in englischer Sprache

    www.bing.com