„,Was ist Mission? – Was ist deine Mission?’ – Projektarbeit in Nahost“ Schüleraustausch zwischen der deutschen Auslandsschule Talitha Kumi (Beit Jala) und dem Gymnasium sowie der Stadtteilschule Finkenwerder 2017

Vor dem Felsendom, Foto: Gymn.Finkenwerder

Wir förderten 2017 zum dritten Mal den Schüleraustausch zwischen der deutschen Auslandsschule Talitha Kumi (Beit Jala) und dem Gymnasium sowie der Stadtteilschule Finkenwerder. Der Schüleraustausch stand unter dem Thema: Was ist Mission? – Was ist deine Mission?“ – Projektarbeit in Nahost. Es wurde eine umfassende Projektarbeit gestaltet, in der ersten Phase in Hamburg (Juli 2017) mit Teilnahme am Unterricht sowie Gesprächsrunden. In der zweiten Phase (Oktober 2017) gab es Begegnungen sowohl mit palästinensischen Schülern (in Gastfamilien) wie auch mit jüdischen Schülern der israelischen Partnerschule in Westjerusalem. Der Nahostaustausch ist sehr anspruchsvoll und intensiv, voll in das Schulprogramm integriert.

Aus der Homepage des Gymnasiums HH Finkenwerder:

Projektarbeit, Foto: Gymn. Finkenwerder

„Was ist Mission? – Was ist deine Mission?“ Dieser Frage ist das Geschichtsprofil in diesem Jahr in Palästina nachgegangen. Vom 30.09. bis zum 14.10.2017 reisten 15 Schülerinnen und Schüler und drei Lehrkräfte der beiden weiterführenden Finkenwerder Schulen nach Palästina zu unserer Austauschschule Talitha Kumi in Beit Jala. Innerhalb der Reisezeit lebten die Hamburger in palästinensischen Gastfamilien, so dass sie einen wirklichen Einblick in die palästinensische Alltagskultur erhalten konnten. Während der gesamten Reise gingen die Schüler der Frage „Mission – was ist Deine Mission?“ nach. In Interviews, Untersuchungen von Gebäuden und immer wieder auch eigenen Reflexionen erfuhren die Jugendlichen aus Finkenwerder viel über den Nahostkonflikt und den Umgang mit der schwierigen Lage vor Ort, lernten sich selbst allerdings auch besser und zum Teil neu kennen.
Die zwei Wochen waren voller Highlights, von denen hier nur wenige angerissen werden können. Es wurden beeindruckende historische Bauwerke besichtigt, wie zum Beispiel die Geburtskirche in Bethlehem, die Grabeskirche und die Al Aqsa Moschee in Jerusalem. Durch eine Sondergenehmigung durfte die gesamte Gruppe sogar in den Felsendom – ein absolutes Privileg, das sonst ausschließlich Muslimen vorbehalten ist.

Bei Mayor Nicola Khamis, Foto: Gymn. Finkenwerder

Die Schülerinnen und Schüler haben Interviewpartner getroffen, um diese nach ihrer Mission in diesem schwierigen politischen Umfeld zu befragen. Besonders hervorzuheben sind hierbei sicherlich die Interviews mit dem Bürgermeister von Beit Jala Nicolas Khamis, der Pastorin Gabriele Zander und mit Daoud Nassar vom Tent of Nations. 

Arbeit auf dem Feld bei Daoud Nassar, Foto: Gymn. Finkenwerder

Die Ländereien der Familie Nassar sind mittlerweile nahezu gänzlich umgeben von jüdischen Siedlungen. In den letzten Jahren gab es immer wieder – auch gewaltsame – Versuche, das Land der Familie zu entwenden. In dieser für ihn schweren Situation konnte Herr Nassar die Schüler mit dem Satz „Wir, meine Familie und ich, weigern uns. Feinde der Israelis zu sein“ tief beeindrucken. Viele Schüler gaben an, durch den Besuch bei Daoud Nassar für das eigene Leben inspiriert worden zu sein. Die Schüler der beiden Finkenwerder Schulen konnten das Projekt der Familie Nassar mit ihren eigenen Händen unterstützen. Sie haben einen Tag an der Erstellung einer Bodenintarsie des „Engels der Kulturen“ aus Steinen für das Friedensprojekt „Zelt der Völker“ mitgeholfen.

Arbeit auf dem Feld bei Daoud Nassar, Foto: Gymn. Finkenwerder
Besuch beim Baudezernenten von Beit Jalas Issa Al Shatleh, Vortrag über den Mauerbau der Israelis, Foto: Gymn. Finkenwerder

Die Schülerinnen und Schüler haben Interviewpartner getroffen, um diese nach ihrer Mission in diesem schwierigen politischen Umfeld zu befragen. Besonders hervorzuheben sind hierbei sicherlich die Interviews mit dem Bürgermeister von Beit Jala Nicolas Khamis, der Pastorin Gabriele Zander und mit Daoud Nassar vom Tent of Nations. 
Auch der Aufenthalt in Israel hinterließ Spuren bei allen Teilnehmern der Reise. Direkt im Anschluss an einen Besuch in Yad Vashem, der weltweit größten Gedenkstätte an die Shoa, diskutierten die Schüler, ob die Erinnerung an den Holocaust zur persönlichen Mission gehöre und ob diese Erinnerung heute Bestandteil der deutschen Identität sei. Diese Diskussion war so intensiv, wie es wohl in kaum einem anderen Setting denkbar gewesen wäre.
Den Spuren Kaiser Wilhelms II., der Herrscher einer Weltmacht sein wollte, gingen die Reisenden in Jerusalem in den dort vom Kaiser erbauten Kirchen, der Auguste Viktoria Kirche und der Himmelfahrtskirche, nach.
Neben den vielen spannend-arbeitsreichen Momenten der Reise kamen aber auch die Freizeit-aktivitäten nicht zu kurz, so ging die gesamte Gruppe zusammen wandern und im Toten Meer und im Mittelmeer baden. In der Freizeit wurde natürlich auch das eine oder andere gute Geschäft auf dem Basar gemacht.
Insgesamt war es eine sehr gelungene Fahrt, die den Ansprüchen einer Studienfahrt in allen Belangen gerecht wurde.“

Projektleiter Markus Heimbach und Eike Koopmann    

Projektleiter Eike Koopmann sprach unserer Stiftung Begegnung seinen großen Dank für die Unterstützung des Projekts aus: „Sie haben hier eine tolle Begegnung ermöglicht, die in den Jugendlichen beider Länder viel bewegt hat.“ 

Feedbacks von LehrerInnen und SchülerInnen

Abschied in Tel Aviv, Foto: Gymn. Finkenwerder

„Die SuS beider Regionen sind in ihrem Denken und Fühlen durch die persönlichen Kontakte, die  gemeinsamen Aktivitäten und das themenbezogene Arbeiten spürbar gereift. In den Gesprächen ist ihre Horizonterweiterung für uns Lehrkräfte oft deutlich erkennbar. Ihre interkulturelle Kompetenz wurde durch den Aufenthalt in einem nicht-europäischen Gebiet deutlich gesteigert.“   Lehrer Markus M. Heimbach
„In den Schülerinnen und Schülern reifte durch die internationale Zusammenarbeit ein politisches Bewusstsein und auch der Wunsch, politische Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen. Dies wurde und wird in gemeinsamen Gesprächen in und außerhalb des Unterrichts deutlich. Aus dem freundschaftlichen und vielfältigen Kontakt mit den palästinensischen Schülern erwuchs ein vertieftes und differenzierteres Verständnis des Nahost-Konfliktes über das hinaus, was regulärer Schulunterricht leisten kann.“  Lehrer Eike Koopmann

Die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler können pars pro toto anhand ihrer Reflexionen zu dem Besuch und der Arbeit bei Daoud Nassar nachvollzogen werden:

„Daoud Nassar, 47J., ist ein christlicher Palästinenser, der in der Nähe von Beit Jala bei Bethlehem im West-Jordanland das Friedensprojekt „Zelt der Völker“, ein Begegnungszentrum vor allem für Jugendliche, auf dem 42ha großen Weinberg seiner Familie leitet. Während ihres Aufenthaltes dort haben wir Finkenwerder Jugendlichen bei der Erstellung einer Bodenintarsie des „Engels der Kulturen“ geholfen. Daoud Nassar hat unsere Schüler und Schülerinnen zutiefst beeindruckt.
Ich nehme von der Begegnung mit Daoud Nassar auf seinem Weinberg mit, dass es sehr wichtig ist, niemals aufzugeben, sondern immer weiter zu kämpfen für das, was einem wichtig ist, und gegen Ungerechtigkeit anzugehen. Ich nehme mit, dass ein Stück Feld nicht nur ein Stück Feld ist, sondern für ihn Heimat bedeutet. Jeder zerstörte Olivenbaum bedeutet, dass man ihm ein Stück Familie wegnimmt. Selbst wenn die Lage hoffnungslos erscheint, darf man die Hoffnung nicht aufgeben. Hass oder Gewalt sollten keine Lösung sein. Durch Hass entsteht nur noch mehr Hass. Flucht ist für ihn keine Lösung, den Hof zu verkaufen auch nicht - es wäre so, als würde er seine Seele verkaufen. Ich denke, er ist ein großes Vorbild. Es ist das Land seiner Familie, es gehört ihm und sollte auch ihm gehören. Ich wünsche ihm, dass sich die Lage für ihn und seine Familie einmal bessert.“ Lisa (17)

„Ich denke, Daoud ist ein sehr gutes Vorbild für den Frieden: Obwohl er so viele Gründe hätte zum Hassen, entschied er sich bewusst dagegen und sagte sogar ‚Wir weigern uns zu hassen’ - als Bestandteil seiner Grundidee für das Tent of Nations. Ich finde es beeindruckend, dass er es schafft, sich vom Hass abzuwenden und (...) Menschen lehrt, dass Hass einen Menschen nur zerstört und man durch Hass nie glücklich werden kann.
Ich finde es auch inspirierend, wie er auf den Hass und die Vorurteile der anderen reagiert: So darf er zum Beispiel keinen Strom oder Leitungswasser benutzen. Er gestaltet selbst neue Möglichkeiten, wie er dennoch dazu kommt, ohne dass er gegen dieses Verbot verstößt. So baute er eine Solaranlage und nutzt Regenwasser für die Bäume.
Er ist eine Inspiration für mich, da ich im Thema Hass noch viel lernen muss, um genau wie Daoud über diesen Hass hinweg zu schauen und konstruktiv zu antworten. Außerdem denke ich, dass eswegtreiben zu lassen.
Um seinen Weinberg wurden fünf Siedlungen gebaut, die Straßen wurden gesperrt, Wasser und Strom verboten, Bauabrissbefehle gegeben und ihm sogar ein Blankocheck ausgestellt: Doch er sagt, man verkauft seine Seele nicht! Ihm ist es sehr wichtig, das Erbe seiner Familie zu behalten und es für kein Geld der Welt wegzugeben, was zeigt, wie wichtig die Familie und die Herkunft sind, die Heimat ist. Davon kann ich viel lernen, da ich die Bedeutung der Heimat vorher gar nicht so sehr geschätzt habe. Sera (17)

Daoud Nassar hat mich dazu inspiriert sowie darin bestärkt, fokussiert auf meine Ziele zu sein, egal welche Hindernisse immer auch versuchen, mich davon abzuhalten. Es wurde mir erst richtig deutlich, als Herr Nassar über sein Grundstück und vor allem über seinen Weinberg, den sein Großvater 1916 gekauft hatte, sprach. Seit Jahren versucht die israelische Seite ihn zu enteignen. Auch zerstörten radikale, israelische Siedler 250 Olivenbäume, die jedoch von einer israelischen Stiftung aus Großbritannien zum Glück wieder ersetzt werden konnten.
Demnach leistet Daoud Nassar seit längerer Zeit Widerstand. Doch dies führt er auf eine sehr spezielle Art und Weise aus, welche mich persönlich dazu anregte, jeglichen Hass in etwas Positives umzuwandeln, indem ich es als Ansporn nutze, gute Taten - wie auf Frieden basierende Projekte - in meinem zukünftigen Leben zu vollbringen.
Ich bin Daoud Nassar sehr dankbar, dass er erneut bestätigen konnte, dass man mit Gewalt rein gar nichts erreichen oder umsetzen kann.
Als sein Weinberg, welcher von fünf israelischen Siedlungen umgeben ist, kein Strom wie   auch kein Wasser bekam, installierte er in der Not eine Solaranlage. So stellt für ihn die Gewalt keine Option dar. Dies spiegelt für mich neben wahrer Stärke auch Beharrlichkeit wider und gibt mir Mut, aus der schlimmsten Situation das Beste daraus machen zu können. Büsra (17)